Der Report der Magd von Margaret Atwood

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Sommer, Sonne, Urlaubszeit! Mitte Juli habe ich eine Woche an der Ostsee verbracht und wollte es mir nicht nehmen lassen, einen meiner liebsten Buchläden dort zu besuchen… Bereits aus mehreren Metern Entfernung leuchtet mir die rot-weiße Fassade des kleinen Fachwerkhäuschens entgegen, das seit den 1920ern an der Ahrenshooper Hauptstraße steht. Auf der rechten Seite ragt ein rotes Türmchen wie ein Leuchtturm aus dem Dach empor. Über dem Eingang prangt blau auf weiß der Schriftzug: Bunte Stube. Im Laden selbst ist nicht viel Platz. Rechts und links stapeln sich ausgewählte Bücher. Weiter hinten gibt es Kunsthandwerk, Schmuck und Naturprodukte zu erwerben. Der Holzfußboden knarzt unter meinen Füßen, während ich auf der Suche nach neuem Lesestoff durch die schmalen Gassen streife. Kennst Du diese Buchläden, die die Magie besitzen, Dich immer ein gutes Buch finden zu lassen? Für mich zählt die „Bunte Stube“ zu diesen magischen Buchläden dazu. Doch erst der Tipp meiner netten Begleitung, die sich hervorragend mit Büchern auskennt, bringt mich an diesem Tag auf das Buch, um das es in diesem Beitrag gehen soll. Einem Buch, das mich sprachlos zurücklässt, es ist Der Report der Magd von Margaret Atwood.

Daten
Titel: Der Report der Magd (Originaltitel: The Handmaid’s Tale)
Autorin: Margaret Atwood
Verlag: Piper
Jahr/Ausgabe: 2017, 6. Auflage, Erstveröffentlichung: 1985
Seiten: 412

Der Report der Magd – vom Hoffen auf Freiheit

Gilead – ein totalitärer und christlich-fundamentalistischer Staat, der einer Sekte gleicht. Nach dem Zusammenbruch der Regierung dürfen Frauen kein Geld mehr besitzen, dürfen nicht lesen und kein selbstbestimmtes Leben mehr führen. Sie sind dem Willen der herrschenden Männer unterworfen.

Die meisten der Frauen sind aufgrund von radioaktiver Verseuchung oder anderer Krankheiten unfruchtbar geworden. Sie sind in verschiedene Gruppen eingeteilt: es gibt die Ehefrauen der höhergestellten Männer, Frauen (Marthas), die sich um den Haushalt kümmern und sogenannte Unfrauen, die sich darum kümmern, dass der atomare Müll beseitigt wird. Und dann gibt es einige wenige Frauen, die dazu in der Lage sind, Kinder zu zeugen – die Mägde. Doch der Nachwuchs soll nur den privilegierten Männern vorbehalten sein, also werden die Frauen den Männern (auch Kommandanten genannt) wie Vieh dem Bauern zugeteilt. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als den Kommandanten Kinder zu schenken, sonst dürfen sie selbst bald atomaren Müll schaufeln. Einer dieser Mägde ist Desfred, die Hauptfigur der Geschichte.

Sie erzählt von ihrem Alltag, der begleitet ist, von im Wind schwingenden Leichen, Sex, der von der unfruchtbaren Ehefrau Serena Joy überwacht wird und den verbotenen Annäherungsversuchen eines anderen Angestellten. Außerdem erfährt der Leser Details aus ihrem früheren Leben. Sie erinnert sich in den verschiedensten Situationen an ihren Mann Luke und ihre kleine Tochter, deren gemeinsamer Fluchtversuch scheiterte. Sequenzen aus dem Rachel und Leah-Umerziehungszentrum zeigen, wie die Mägde ausgebildet wurden und warum sie das System so sehr fürchten. Desfred bleibt nichts anderes übrig, als durchzuhalten, auf verbotene Nachrichten zu warten und zu hoffen.

„Es gibt mehr als eine Art der Freiheit… die Freiheit zu, und die Freiheit von. In den Tagen der Anarchie war es die Freiheit zu. Jetzt ist dir die Freiheit von gegeben. Unterschätze das nicht.“

Der Report der Magd – Margaret Atwood

Eine (un)wahrscheinliche Zukunftsvision?

Einige Kritiker bemängeln an Atwoods Werk, dass es sehr unwahrscheinlich sei, in dieser kurzen Zeitspanne solch einen gesellschaftlichen Umschwung zu erzeugen. Ich würde das nicht auf die Goldwaage legen. Schließlich ist es immer noch ein Buch, Fiktion einer Welt, wie sie sein könnte und das vermittelt Margaret Atwood sehr glaubhaft. Gerade durch die ruhige, berichtende Erzählweise der Hauptfigur entsteht ein realer Eindruck der Welt. Es passiert nicht viel und doch eine ganze Menge. Was ich damit meine? Wer nach einem actionreichen, von vielen überraschenden Wendungen gezeichneten Plot sucht, sollte nicht dieses Buch lesen. Hier geht es um das (Über)leben einer einzelnen Frau, in einer von Männern beherrschten Welt. Es herrscht eine bedrückende Atmosphäre. Ähnlich wie in Orwells 1984 ist der Staat die größte Bedrohung. Doch auch die Menschen muss Desfred im Auge behalten. Wer gehört zu den „Augen“, den Spionen des Staates und wem kann sie wirklich vertrauen? Obwohl Der Report der Magd schon 1985 erschien, ist das Thema Überwachung, in Zeiten von immer ausgeklügelter Technik, immer noch aktuell. Aber das Buch hält noch mehr Stoff zum Nachdenken bereit. Es geht um die Rechte der Frauen, Selbstbestimmung und vieles mehr.

Atwood setzt auf einen sehr verständlichen Schreibstil. Ihre sprachlichen Bilder begeisterten mich von Anfang an. Sie spielt mit Zeitsprüngen, als seien es Legosteine, setzt Gegenwart und Vergangenheit geschickt aneinander und trotzdem schafft sie es, dass ich als Leser nicht den Faden verliere. Für einige Leser mag es ungewohnt sein, die Dialoge, die Desfred aus ihrer Erinnerung erzählt, ohne Anführungszeichen vorzufinden. Doch ich kann versichern, bereits nach kurzer Zeit hat man sich daran gewöhnt. Es wäre sehr schade, das Buch deswegen aus der Hand zu legen.

Desfred ist keine Heldin, zumindest nicht im herkömmlichen Sinn. Sie ist oft passiv und geht Kompromisse ein, um zu überleben. Sie hofft auf ein besseres Leben. Wer will es ihr verübeln?

Ich war wie betäubt. Allen ging es so, das weiß ich noch. Es war kaum zu fassen. Die ganze Regierung, einfach so weggefegt. Wie sind die nur reingekommen, wie ist es passiert?

„Der Report der Magd“ – Margaret Atwood

Fazit zum „Report der Magd“

Margaret Atwood schafft es, eine spürbar realistische Dystopie zu erschaffen. Sie verarbeitet Themen, die nicht nur damals aktuell waren, sondern in der heutigen Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnen. Es ist ein zeitloses Werk, ein Klassiker, den ich uneingeschränkt empfehlen kann.

Der Report der Magd zeigt, was in der Literatur alles möglich ist, er dringt tief ins Innere des Lesers vor und lässt dort, selbst nachdem sich der Buchdeckel geschlossen hat, ein bohrendes Gefühl zurück.

Das Buch wurde bereits als Serie (2017) verfilmt. Die Serie trägt den Titel: „The Handmaid´s Tale – Der Report der Magd“. Unter anderem spielen darin bekannte SchauspielerInnen wie zum Beispiel Alexis Bledel (Gilmore Girls) und Samira Wiley (Orange is the New Black) mit.

Wer sich für ähnliche dystopische Romane interessiert, dem kann ich 1984 von George Orwell und Schöne Neue Welt: Ein Roman der Zukunft von Aldous Huxley empfehlen.

In diesem Sinne: Lest schön! 🙂

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